Bericht der Mainpost vom 23.11.07 - "Eine Schule geht auf Sendung"

 
Seit 2005 ist die Schülerzeitung Löschblatt online – jetzt macht man sogar TV
Von Lucia Lenzen

„Ton an, Kamera läuft“, kommt die Stimme aus dem Off. Dann erscheint auf dem Computerbildschirm Gerda Rübenbauer, wie die Einblendung verrät: „Wir begrüßen alle Zuschauer in Kitzingen und der Welt zur ersten Folge von L-TV“, säuselt die Nachrichtensprecherin mit Hornbrille und getigerten Halstuch charmant in die Kamera und beginnt mit der Nachrichtenlage aus der Region.

Waren Geistesblitze aus der Realschule für den Brand um die Ecke verantwortlich? Erlaubt Ministerpräsident Beckstein die fränkische Rechtschreibreform? Spätesten nach Nachricht zwei ist klar: Bei Löschblatt-TV handelt es sich nicht um ein neues, ernsthaftes Regional-Fernsehen im Internet. Nein, Gerda Rübenbauer und ihr Kompagnon Christian Sabinsen heißen in Wirklichkeit Elke Anselm und Gerd Ulherr und sind Lehrer der Richard-Rother-Realschule. Und der Kanal ist das neueste Projekt ihrer digitalen Schülerzeitung loeschblatt.com.
„Die Schülerzeitung Löschblatt gibt es eigentlich schon ewig“, sagt Ulherr. In gedruckter Form erschien sie ein mal pro Jahr. „Das war einfach nicht mehr zeitgemäß“, erklärt der Physik- und Chemielehrer. Also gestaltete man Löschblatt vor zwei Jahren neu und ging online. Ab September 2005 fanden Lehrer, Schüler und Eltern die altbewährte Schülerzeitung nur noch im Internet. Dafür aber in neuem, peppigem Design und mit wöchentlichen Neuigkeiten.

„Unser Seiten-Konzept sind möglichst viele Themen, die Schüler interessieren“, sagt Elke Anselm. Gemeinsam mit Kollegin Andre Schielke und Gerd Ulherr stellen sie die Löschblatt-Chefredaktion. Koordinieren rund 20-Jung-Redakteure aus den Klassen sieben bis zehn, redigieren Texte, stellen Bilder online und machen – so nebenbei – auch noch Internet-Fernsehen. „Über den Daumen 2500 Besucher hatten wir vor Oktober 2007 monatlich im Schnitt auf der Seite“, erzählt Ulherr. „Wenn jeder von denen im Schnitt neun bis zehn Seiten an schaut, sind das rund 25 000 Seiten-Klicks im Monat“, rechnet er. Den Monat nach der ersten L-TV-Sendung nicht mit eingerechnet – da waren es sogar 3500 Besucher. „Die Leute waren begeistert und wollten unbedingt mehr“, erzählt Ulherr. Was ein Blick ins Gästebuch nur bestätigt.

Doch zwischen all dem Lob, gibt es auch Kritik: „Die Lehrer sollten nicht die Hauptrolle spielen. Ihr solltet mehr versteckte Akteure sein“, wünscht sich ein User. Und spricht auch den Lehrer-Chefredakteuren aus dem Herzen. „Man muss den Schülern immer wieder auf die Füße treten“, sagt Elke Anselm. „Aber wir haben eben auch unseren Qualitätsanspruch und wollen nun mal eine gescheite Zeitung machen.“ Deshalb flog die Rubrik „Witze“ auch schnell wieder von der Seite, klicken sich die drei Lehrer auch immer wieder durch das Gästebuch und sortieren Beleidigungen und Co heraus und machen vor allem eins: Themen anschieben, anschieben, anschieben.

Und dann kommen sie auch, die Bonbons der Seite: In der Rubrik VIP trumpft Löschblatt mit Interviews mit Comedy-Star Bernhard Hoecker, Basketball-Superstar Dirk Nowitzki, FC-Nürnberg Trainer Hans Meyer und Kultusminister Siegfried Schneider. In einem ernsten Bericht geht es um das Thema Magersucht, in der Bildergalerie steckt beeindruckendes zum Thema Street Painting und im Download-Center gibt es ein überraschendes Sammelsurium vom Wasserbett-Test bis zur Pisa-Studie.

Das gefällt nicht nur Schülern, Lehrern und Eltern der Realschule, sondern auch ganz Unbedarften. Die Machern von Spiegel-Online kürten die Internet-Zeitung 2006 im bundesweiten Schülerzeitungs-Wettbewerb mit einem sechsten Platz. Eine Münchner Berufsfachschule für Kommunikationsdesign meldete sich von allein, um Werbung auf der Seite zu platzieren.
Ein paar 100 Euro nimmt Löschblatt mittlerweile im Jahr mit Werbung ein. So konnte man sich dann auch das teure Schnittsystem und die Kamera für Löschblatt-TV leisten. „Wir haben so viele Ideen, was wir noch alles machen könnten“, so Ulherr. Aber dummerweise müsse man ja auch noch Unterricht halten.